Qualitätsmedien Professional

Irgendwas wird ja schon hängen bleiben, hat man sich in den Redaktionen der so genannten Qualitätsmedien gedacht, als sich mit der Nachricht einer Hausdurchsuchung endlich die Gelegenheit gab, dem grünen Kanzlerkandidaten in spe ans Zeug zu flicken.

Folgt man dem lauten Getöse im Netz, so hat Robert Habeck höchstpersönlich kraft seines Amtes als Bundeswirtschaftsminister die Polizei zur Hausdurchsuchung in die Wohnung eines Mannes bestellt, weil der irgendwo im Internet seinen 900 Followern als Abzeichen des seichten Humors und Anlehnung an den Markennamen einer Haarkosmetik-Reihe ein Sharepic mit Habecks Profilfoto und der Unterschrift „Schwachkopf Professional“ verbreitet haben soll.

Die einschlägigen rechtskonservativen Akteure können ihr Glück kaum fassen und spielen das Thema seit einem Tag rauf und runter, während sich selbst altehrwürdige Medien in das Geraune einstimmen im Rausch von Klicks und Reichweite.

Während es die Aufreger-Artikel massenweise im Interesse der empörungsgesteuerten Reichweite kostenlos im Netz gibt, kostet die Recherche der Hintergründe Zeit und Geld, weil man sich die Informationen mühsam hinter verschiedenen Bezahlschranken zusammenklauben muss. Aber wenn man sich die Zeit nimmt und das Geld, dann ergibt sich am Ende des Tages ein, nun ja, etwas anderes Bild.

Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bamberg offenbart, dass hier nicht die Beleidigung aus § 185 StGB verfolgt werden soll, was als Antragsdelikt tatsächlich nur mit Habecks Zustimmung passiert wäre, sondern die „gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“ aus § 188 StGB, die sich „mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben“ qualifiziert und voraussetzt, „sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren“.

Ob das tatsächlich auf das Sharepic zutrifft, halte ich als Laie für zweifelhaft, das müssen andere klären, zumal Habeck als Teil einer nicht gerade geräuschlos arbeitenden Koalition wohl Kummer gewohnt sein dürfte, weswegen der Witz wohl eher auf Kosten der Haarpflegeprodukte geht als auf sein öffentliches Wirken.

In der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Bamberg steckt aber noch ein weiteres Detail: Der Beschuldigte verbreitete im Frühjahr ein Sharepic „Deutsche kauft nicht bei Juden“ in einem gesellschaftlichen Netzwerk, kommentierte es mit „Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!“ Und: Die Hausdurchsuchung erfolgte an einem bundesweiten Aktionstag
gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet.

Laut der Pressemitteilung habe Habeck selbst Strafanzeige gestellt. Wie das wohl abgelaufen ist bei dem beleidigten Habeck, das erklärt wiederum die Süddeutsche Zeitung: Habeck werden wohl regelmäßig gegen ihn gerichtete Beleidigungen vorgelegt, damit er sich Gedanken machen kann, ob er eine Strafanzeige stellen möchte — es handelt sich ja schließlich um ein Antragsdelikt.

Den haarigen Witz hat er wohl einfach mit abgezeichnet, ging wohl davon aus, dass die Strafverfolgungsbehörden die Ermittlungen im Rahmen ihrer juristischen Bewertung führen werden. Dass daraus eine Hausdurchsuchung wurde, hat er demnach weder veranlasst noch zu verantworten.

Ich bedaure sehr, dass die einschlägigen Qualitätsmedien die journalistische Arbeit im Rahmen der Reichweitenmessung geführt haben. Ich halte es für sehr kritikwürdig, dass zwei Sharepics, die nicht meinen Humor treffen, aber wohl auch nicht den Tatbestand antisemitischer Hetze, zu einer Hausdurchsuchung führen. Stattdessen verbleiben selbst vermeintlich seriöse Medien dabei, für ein paar Klicks zu suggerieren, Habeck höchstselbst habe versucht, die Meinungsfreiheit zu beschneiden.

Schade. Aber es ist wohl wieder Wahlkampf.

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